Ostdeutsch?

WOFÜR STEHT „OSTDEUTSCH“? KUNSTMUSEUM MIT BESONDEREM BLICK

Die „Ostdeutsche“ wird das Kunstforum Ostdeutsche Galerie gerne kurz genannt. Doch der Hintergrund ist oft nicht mehr greifbar, zumal sich das Verständnis von „Ostdeutschland“ gewandelt hat. Ausgangspunkt für die Gründung der Stiftung Kunstforum Ostdeutsche Galerie im Jahr 1966 war das Bundesvertriebenengesetz (§ 96 BVFG) von 1953. Bund und Länder verpflichteten sich darin, das kulturelle Erbe der „Deutschen im östlichen Europa“ zu erforschen, zu vermitteln und zu bewahren. Die Politik reagierte so auf den entscheidenden Einschnitt in der europäischen Geschichte, welchen die Umsiedlungen, Flucht und Vertreibung während oder als Folge des Zweiten Weltkriegs mit sich brachten.

Heute fördert die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage dieses Gesetzes sieben Museen und sieben wissenschaftliche Institute und kulturelle Einrichtungen – darunter das Kunstforum Ostdeutsche Galerie mit einem Anteil von fünfzig Prozent. Der Freistaat Bayern und die Stadt Regensburg tragen die restlichen zwanzig bzw. dreißig Prozent. Das KOG ist dabei einzigartig: Es ist das einzige Kunstmuseum und konzentriert sich nicht auf eine Region, sondern umfasst die gesamten historisch deutschen Siedlungsgebiete zwischen Ostsee, Adria und dem Schwarzen Meer. Regensburg ist dafür ein idealer Standort, denn auch die Universität Regensburg ist mit einem ähnlichen Fokus auf das östliche Europa gegründet worden.

Kunstgeschichte und Kunst-Geschichten: Unterwegs auf den Spuren von Künstlern und Künstlerinnen

Am 10. Juni 1970 eröffnete die damalige „Ostdeutsche Galerie“ mit einer Ausstellung zur Kunst des 19. und insbesondere des 20. Jahrhunderts. Der gemeinsame Nenner für die Auswahl der Ausstellungsobjekte war der biografische Hintergrund der KünstlerInnen: Sie stammten alle aus dem historischen Böhmen, aus Mähren, aus Schlesien, aus West- und Ostpreußen sowie weiteren deutschen Siedlungsgebieten im östlichen Europa. Zu sehen waren unter anderem Werke von Alexander Camaro, Rolf Cavael, Ida Kerkovius, Anton Kolig, Oskar Moll, Renée Sintenis oder Hans-Albert Walter. Mit der Erweiterung der Sammlung in den folgenden Jahren kamen weitere KünstlerInnen hinzu.

Viele der Namen sind prägend für die westeuropäische Kunstgeschichte – so zum Beispiel Lovis Corinth, Käthe Kollwitz, Bernard Schultze oder Markus Lüpertz. Ihre Werke sind deutschlandweit und international auch in anderen Museen zu sehen. Im Gegensatz dazu lenkt das Kunstforum Ostdeutsche Galerie den Blick über den kunsthistorischen Ansatz hinaus auf die Herkunfts- und Wirkungsorte der KünstlerInnen. Dazu gehören Städte wie Breslau, Königsberg oder Prag, sowie zum Beispiel Nidden. Die malerische Ortschaft auf der Kurischen Nehrung an der Ostsee war ein Anziehungspunkt unter anderem für Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und andere Brückemaler. Überall gibt es interessante Zusammenhänge, Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den deutschsprachigen KünstlerInnen und deren KollegInnen zu entdecken. Ihre Kunstwerke erzählen „Kunst-Geschichten“. Sie lassen die Vergangenheit aufleben und werfen darüber hinaus vielfach aktuelle Fragen auf.

Von der „Ostdeutschen“ zum „Kunstforum“: Das Museum im Wandel der Zeit

In Reaktion auf die politischen Veränderungen in Europa seit der Eröffnung 1970 wandelte sich die Darstellung des museumseigenen Auftrags. 1987 wurde die „Ostdeutsche Galerie“ in „Museum Ostdeutsche Galerie“ umbenannt. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wurden Mittel- und Osteuropa zugänglich und eine Zusammenarbeit mit den dortigen Museen möglich. Nach einer sanierungsbedingten Schließung präsentierte das Haus 1993 eine neue Dauerausstellung, angelegt als chronologischer Gang durch die Kunstgeschichte. Erste Ausstellungsprojekte zur deutsch-böhmischen Kunst in Prag mit tschechischen Kooperationspartnern fanden statt.

Einen wichtigen Impuls erhält die inhaltliche Ausrichtung des Museums mit der 2003 beschlossenen neuen Satzung. Diese erweitert den Stiftungsauftrag auf die aktuelle Kunst aus den einstigen historischen Ostgebieten. Seither trägt das Museum den Namen „Kunstforum Ostdeutsche Galerie“ und entwickelt sich zu einem Ort des Austauschs zwischen „Ost und West“. Vorgestellt werden nun ebenfalls GegenwartskünstlerInnen aus Polen, der Slowakei, Tschechien sowie weiteren Ländern in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Vor allem die Ausstellungen im Rahmen der Lovis-Corinth-Preis-Verleihung erfahren große Aufmerksamkeit.

Ende 2017 löst eine neue Sammlungspräsentation unter dem Motto „Woher kommen wir, wohin gehen wir?“ die vorhergehende Dauerausstellung „Erinnerung & Vision“ von 2005 ab. Der Rundgang bietet Einblicke in rund 200 Jahre Kunst und Geschichte in Ostmitteleuropa. An die 100 ausgewählten Kunstwerke versetzen die BesucherInnen in die früheren Hotspots des Kunstgeschehens, aber auch in inspirierende Landschaften. Parallel öffnen Sonderausstellungen neue Perspektiven auf das aktuelle Geschehen sowie Entwicklungen in Kunst und Gesellschaft.

Landkarte historischer und heutiger Gebiete des östlichen Europa
Die Karte zeigt das östliche Europa mit einem Teil der Gebiete, in denen Deutsche bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lebten. Die Ausdehnung entspricht dem Stand um 1925.

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