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Mit dem interdisziplinären Workshop zu Dr. Walter Boll Ende November 2022 ist die Grundlage gelegt, um Bolls einflussreiche, kontroverse Position in der Geschichte der Stadt Regensburg wissenschaftlich aufzuarbeiten. Der Fokus lag zunächst auf dem Zusammentragen der vorhandenen Archivbestände und der kritischen Auswertung aller erhaltenen Quellen. Das Kulturreferat der Stadt lud alle betroffenen Institutionen ein, die Sachlage an ihren Häusern vorzustellen. WissenschaftlerInnen aus der Region und darüber hinaus wurden hinzugebeten, um weitere Perspektiven zu öffnen. Rund 30 ExpertInnen kamen zusammen und diskutierten Fakten und Fragestellungen rund um das Wirken von Dr. Walter Boll während und nach der NS-Zeit.

Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie wurde von Direktorin Dr. Agnes Tieze und Provenienzforscherin Natascha Mazur M.A. vertreten. Als Gäste für die Sektion zur Ostdeutschen Galerie waren zudem Prof. Dr. Christian Fuhrmeister (Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München) und Dr. Peter Becher (Adalbert-Stifter-Verein, München) eingeladen.

Die Gründung der Ostdeutschen Galerie ist im kollektiven Gedächtnis eng mit der Person Dr. Walter Bolls verknüpft. Nachdem zunächst auch andere Städte wie Gießen oder Krefeld als Standort für die Ostdeutsche Galerie in Erwägung gezogen wurden, fiel die Wahl schließlich auf Regensburg. Grund dafür war zum einen die geografische Lage, zum anderen die Nähe zur 1962 neugegründeten Universität, deren Schwerpunkt von Anfang an auf Osteuropa-Forschung liegt. 1966 erfolgte die Gründung der Stiftung Ostdeutsche Galerie, 1970 wurde das Museum Ostdeutsche Galerie eröffnet. Boll, der zu dieser Zeit vielfältige Posten im Kulturleben der Stadt innehatte und unter anderem Direktor des Städtischen Museums war, engagierte sich in enger Zusammenarbeit mit dem Adalbert-Stifter-Verein München und der Künstlergilde Esslingen e.V. für die Entstehung der Ostdeutschen Galerie. Als Vertreter der Stadt Regensburg wurde Boll 1966 zum Vorsitzenden des Vorstands gewählt. Der Vorstand bestand aus insgesamt fünf ehrenamtlich tätigen Personen und arbeitete eng mit dem zweiten Gremium der Stiftung, dem zehnköpfigen Stiftungsrat, zusammen. Boll bekleidete die Position des Vorstandsvorsitzenden von 1966 bis 1979, danach, von 1979 bis 1983, war er als stellvertretender Vorstandsvorsitzender tätig.

Im Rahmen der Vorbereitung des Workshops zu Dr. Walter Boll wurden sowohl interne Archivalien, als auch Archivbestände des Bundesarchivs in Koblenz, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Sudetendeutschen Archivs ausgewertet. Aus den Unterlagen geht unter anderem hervor, dass die Position des Direktors der Ostdeutschen Galerie 1979 auf Initiative von Boll eingerichtet wurde.  1980 wurde die Direktorenstelle erstmalig mit Dr. Werner Timm besetzt.

Bei der Auseinandersetzung mit Dr. Walter Boll ist für das KOG besonders wichtig zu klären, ob in Zusammenhang mit seiner Person NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter in den Bestand des Museums eingebracht wurden. Dieser Frage widmet sich die systematische Provenienzforschung, die im Museum seit Dezember 2018 etabliert ist. Bislang konnte kein NS-verfolgungsbedingter Entzug festgestellt werden.

„Das Bereitstellen von verfügbaren Quellen seitens der KollegInnen in der Stadt ist ein wesentlicher Schritt zur Aufarbeitung von Dr. Walter Bolls Rolle in der Stadt,“ betont Direktorin Dr. Agnes Tieze. Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie begrüßt und unterstützt die Initiative des Kulturreferats, ein Forschungsprojekt zur Aufarbeitung verschiedener Bereiche der Regensburger Stadtverwaltung von der Weimarer Republik bis zur Bundesrepublik anzustoßen. „Allein im Hinblick auf die kritische Auseinandersetzung mit unserer eigenen Gründungsgeschichte wollen wir für unser Museum auch weiterhin die Forschung zu Boll fortsetzen. Über den weiteren fachlichen und multiperspektivischen Austausch freuen wir uns sehr,“ schließt Dr. Tieze.

Dr. Walter Boll und das Kunstforum Ostdeutsche Galerie

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